Die Welt ist ein Gespräch

Das (potentiell oder aktuell) Gegebene zeigt sich mir (jedem Ich) unter der Form der Monade (gr. monas Einheit). Monaden werden hier als die eigentlichen Elemente (vorrangig vor Molekülen, Atomen, Elementarteilchen, Seele, Geist usw., ebenso auch vor den klassischen Elementen Feuer, Luft, Wasser, Erde) betrachtet.

Jede Monade ist eine sprachartige, mehrgliedrige Struktur, eine Beziehung (Relation) zwischen Bezugspunkten (besser: ein Netz, das Netze verbindet).
Jede Monade verhält sich sowohl rezeptiv wie auch aktiv zu einer Vielzahl anderer Monaden.
Es gibt Monaden von sehr unterschiedlichen Komplexitätsgraden. Bei einem gewissen Komplexitätsgrad entwickelt die Monade eine Rezeptivität für einen Teil ihrer selbst: Reflexion.
Die Rezeptivität ist stets mehr oder weniger selektiv. Die je konkrete Form von Reflexivität einer Monade wird Horizont genannt. Der Horizont erlaubt den Monaden (bzw. er zwingt sie), ihrer jeweiligen Umwelt zu entsprechen; man kann auch sagen, in gewisser Weise bildet eine Monade (durch ihre Struktur, ihre Bewegungen, Veränderungen) ihre Umwelt ab (vgl. Konrad Lorenz).
Monaden mit Reflexion sind denkende Monaden. Denken hier in der Weite der cartesischen cogitatio zu verstehen, so also, dass es alle inneren Bewegungen wie Wollen, Fühlen etc. umfasst. Als Denkende entwirft die Monade mit Hilfe emergierender Strukturen Sprachformen. Damit erschließt sie sich eine Welt (genauer: verschiedene Welten).

Die komplexeste (die an innerer Struktur reichste) monadische Form ist die des Daseins. Die Formen einfacherer monadischer Typen (des Lebendigen, der Dinge) können als defiziente Formen der Daseinsmonade interpretiert werden.
Das Dasein kann sich selbst als eine Monade in einem vieldimensionalen Raum wissen. Die Dimensionen dieses Raumes werden von den verschiedenen Sprachen, die das Dasein konstituieren, erzeugt. In seiner Faktizität (existenziell) bewegt sich das Dasein aber in einem Raum mit noch mehr Dimensionen. Oder, in einem (vereinfachenden) Gleichnis gesagt: Dasein bewegt sich wie ein zweidimensionales Wesen auf der (zweidimensionalen) Fläche eines Möbiusschen Bandes, das in einen dreidimensionalen Raum eingebettet ist. Die eine Seite des Bandes repräsentiert die erfahrene Transzendenz, die andere die Introszendenz. Von der Dreidimensionalität des höheren Raumes her gesehen, sind beide Seiten des Bandes eine und dieselbe.

Wesentliche Strukturmomente der Monaden sind
  • Subjektivität: das aktive Zentrum;
  • Rezeptivität: der empfangende Horizont.
Aufgrund ihrer je besonderen Struktur entwirft die Monade (aktiv) ihre Welt.
Rezipierender Horizont und agierendes Zentrum konstituieren die Subjekthaftigkeit (Subjektität) der Monade.
Der rezipierende Horizont öffnet eine Monade für Einwirkungen oder Einflüsse anderer Monaden. Er eröffnet ihr eine Welt. Alle Monaden (nicht allein das Dasein) stehen in einem Offenen, in offenen Räumen unterschiedlicher Dimensionen. Durch ihre Welt ist jede Monade offen für einen Teil, einen Ausschnitt der Realität oder Wirklichkeit, der Fülle des Kosmos.
Vermöge ihres agierenden Zentrums beeinflusst jede Monade potentiell jede andere Monade. Tatsächlich beeinflusst sie nur diejenigen Monaden, deren Rezeptivität aufgrund ihrer dimensionalen Verfasstheit für solche Einflüsse empfänglich ist.

Monade bezeichnet ein wesentliches Moment der Struktur Sprache. Es ist ein Analogon der geistigen Form, die Einstein für den Physiker in Anspruch nimmt (die der Physiker erfinden muss, um sie dann in der Wirklichkeit bestätigt zu finden). Monade also ein Name für die geistige Form, die der heutige Mensch erfinden muss, in der Hoffnung, die heute mögliche Sprache dann als ein Modell dieser Form wiederzuerkennen.
Warum sage ich: der heutige Mensch und nicht der heutige Philosoph? Die Sprache, um die es hier geht, ist unzureichend gekennzeichnet, wollte man sie als Philosophie bezeichnen. Sie wäre ebenso unzureichend als Glaube irgendwelcher Art oder als Dichtung oder Mathematik oder Wissenschaft bezeichnet. Wir stehen mitten in einer Verwandlung alles dessen, was in irgendeiner Weise mit Sprache oder Sprachen zusammenhängt. Alle bekannten Sprachen haben sich schon verändert.

Neue Monadologie. Monaden kann man die Individuen, die Einzelwesen nennen, von den Quarks bis zum Gott. Der Anwendungsbereich dieses Wortes deckt sich, abgesehen von zeitgeschichtlich bedingten Unterschieden, mit dem von Leibniz dafür beanspruchten. Monaden sind miteinander durch Gespräch, Kommunikation verbunden, im Bereich der unbelebten Natur durch Information, Kräfte. Alle Bereiche des Seienden sind durch emergente Sprachen miteinander vernetzt.

Ein Versuch der Darstellung des hier mehr im Hintergrund verbleibenden Systems der Philosophie könnte vom Begriff der Monade ausgehen. Monaden sind seiendes Sein. Sie spiegeln einander als Ontisches, und jede für sich entfaltet einen Horizont, der für alle anderen Monaden Sein bedeutet. In diesem Raum zwischen Seiendem und Sein, Ontischem und Ontologischem, dem Zwischen-Raum, entfalten sich die Sprachen.

Wesentliche Strukturmomente der leibnizschen Monaden sind appetitus (Streben) und nisus (Anstrengung, Bemühen), angestrengtes, bemühtes Streben. Streben wonach? Diese Frage müsste hier für jeden monadischen Typus gesondert beantwortet werden.
Monaden verschiedener Komplexität können sich zu Monadengesellschaften oder -kollektiven vereinigen, diese sind, anders als bei Leibniz, eher polyzentrisch (demokratisch) als monarchisch strukturiert.

Monade in der hier gemeinten Bedeutung ist alles, was in irgendeiner Sprache als von anderem unterscheidbares Individuum oder Gegenstand oder Subjekt angesprochen werden kann. Je nach der betrachteten Sprache kann Monade also durchaus die subjekthafte Struktur der leibnizschen Monaden bedeuten, Monade kann aber auch die Leere der in den Zen-Geschichten angesprochenen Dinge beinhalten ‒ wie soll man das ausdrücken? Monade kann durchaus emphatisches Ich sein, und Monade kann leeres Nichts, leerer Niemand sein.

Monade